Es ist ein schwerer Vorwurf, den Fredi Bobic in seinem Zeit-Interview erhebt. Der Sportvorstand von Eintracht Frankfurt unterstellt dem FC Bayern ein Täuschungsmanöver, was das Thema „Super League“ betrifft. Bobic sagt: „Offenbar fanden die Bayern die Idee von Anfang an gut und haben nur so getan, als wären sie dagegen. Vermutlich weil das besser ankam.“
Fredi Bobic kann sich den Konter erlauben. Seit er 2016 das Management bei der Eintracht übernommen hat, wächst er zum Klassensprecher jener Klubs heran, die zwar nicht das große Geld zur Verfügung haben (wie Bayern und Borussia Dortmund), aber mit Klugheit in der Kaderplanung und Weitsicht in der Trainerfrage Ambitionen aufbauen.
Dass Bobic nicht Teil verbandsweiter Reformüberlegungen ist, lässt tief blicken. Er selbst spricht von einem „Kastensystem im internationalen Fußball„. Die Eintracht, immerhin DFB-Pokalsieger und Halbfinalist in der Europa League, gehört nicht zur obersten Kaste. Schlimmer noch: Der Rückstand ist so groß, dass er den fairen Wettbewerb ausgesetzt sieht.
„Der FC Bayern profitiert von einem so großen wirtschaftlichen Vorsprung, dass ihm Fehler verziehen werden“, so Bobic. „Und dem Management des FC Bayern sind ja zuletzt einige Fehler unterlaufen, wie es selbst zugibt.“ In den nächsten 20 Jahren könnte Eintracht Frankfurt nicht Meister werden: „So viele Fehler können die Bayern gar nicht machen, dass wir vor ihnen landen.“
Das darf nicht sein. Wenn die Bundesliga „noch in hundert Jahren funktionieren“ soll, wie Bobic prophezeit, muss die Mittelklasse zivilisierten Protest organisieren. Das heißt: Eine Chancengleichheit herstellen, die zumindest theoretisch wechselnde Meister zulässt. Seit zehn Jahren gibt es nur Bayern oder BVB als Bundesliga-Champion.
„Der Abstand der Elite zum Rest wächst rasant und dynamisch“, sagt Bobic, der seine Hoffnung auf eine Chancenlosigkeit der Super League aus seiner Beobachtung ableitet: „Am Ende gewinnen wir, denn Eintracht Frankfurt gegen Mainz 05 wird die Fans auf Dauer immer mehr interessieren als Real Madrid gegen Bayern München.“ Da irrt er womöglich.
Auf Dauer wird das Spannungsmoment der Bundesliga nicht allein davon leben können, dass sich immer wieder Traditionsvereine gegen den Abstieg stemmen, Emporkömmlinge an der Champions League schnuppern und gelegentlich Sensationen im direkten Duell passieren. Es mangelt ja nicht an guten Lösungsvorschlägen.
Eine ausgewogene Verteilung der TV-Gelder in der Liga wäre ein Anfang, eine nicht nur erklärte, sondern auch verbindliche Haltung aller deutschen Klubs zu den Super-League-Plänen ein Fortschritt. Womöglich können die US-Sportarten mit Gehaltsobergrenzen, Talent-Rekrutierungssystem und Verhaltenskodex weitere Ideen liefern.
Von der Bundesliga-Führung wird man jedenfalls erwarten können, dass die Zukunftsdebatten nicht ständig zwischen Trainerfragen und Pyrotechnik, Fanprotesten gegen Montagsspiele und Jammern über den Videobeweis pendeln und steckenbleiben. Erst aus diesem intellektuellen Vakuum gewinnen Pläne wie die zur Super League ihren Charme.