Lena Goeßling bringt an Ausstrahlung und Erfolgen alles mit, was eine Fußball-Legende vorweisen muss. 104 Länderspiele. Zwei Champions-League-Siege. Fünf Deutsche Meisterschaften. Sechs DFB-Pokalsiege.
Trotzdem hätten die meisten deutschen Fußballfans sogar Schwierigkeiten, ihren Namen richtig zu schreiben. Mal mit Ö, mal mit Doppel-S, mal mit beidem: Lena Goeßling kennt alle Varianten und lächelt darüber hinweg.
Die Mittelfeldspielerin des VfL Wolfsburg beansprucht keine Gleichstellung mit den männlichen Kollegen. Sie hat sich eine dicke Haut zugelegt. Aber ein bisschen mehr Wertschätzung täte schon gut.
Erst wenn Anfang Juni die WM in Frankreich beginnt und das Fernsehen zur besten Sendezeit Spiele der Frauen überträgt, steigt das Interesse in Deutschland wieder. Die Nationalspielerinnen kennen es ja nicht anders.
Ihr Verein, hierzulande der erfolgreichste im Frauenfußball, verzeichnete in der Bundesliga-Saison einen Zuschauerschnitt von 1840, also nicht mal zweitausend Zuschauer – und ist damit die Nummer eins in Deutschland.
Erst mit diesen Fakten versteht man den Werbespot, den die Commerzbank in diesen Tagen veröffentlicht hat. „Wir spielen für eine Nation, die unsere Namen nicht kennt“, heißt es dort.
Die Commerzbank, seit zehn Jahren überzeugter Förderer des Frauenfußballs, packt mit ihrer Werbekampagne ein heißes Thema an: Gleichberechtigung gilt im deutschen Fußball wenig.
In vielen Vereinen wird die Abteilung Frauenfußball behandelt wie eine fremde Sportart. An Geld kann es kaum liegen. Nur 3,5 Mio. Euro beträgt der Etat eines Spitzenteams. In der Männerwelt ist das kleines Geld.
Überliefert sind Szenen, dass Nationalspielerinnen bei ihrem Klub über keine festen Umkleidekabinen und keinen Physiotherapeuten verfügen. Jede Knabenmannschaft im Nachwuchsleistungszentrum wird besser behandelt.
Anders in Spanien. Die Frauen von Atletico Madrid zogen 60.000 Zuschauer zum Heimspiel gegen den FC Barcelona an. Riesenresonanz auch in England: 43.000 Zuschauer kamen zum Frauen-Pokalfinale ins Wembleystadion.
Zu erklären ist die Zurückhaltung in Deutschland nicht. Zweimal wurde die Frauen-Nationalmannschaft schon Weltmeister, 2003 und 2007, achtmal Europameister und zuletzt 2016 Olympiasieger.
Als Lena Goeßling kürzlich beim OMR Festival in Hamburg Grundsätzliches zum Frauenfußball vortrug, kam nicht eine Sekunde Neid auf. Sie weiß: Die Männer tragen bei der Wertschöpfung im DFB den größten Teil bei.
Was sie aber beobachtet hat: dass europäische Spitzenvereine in ihrer Kommunikation nicht zwischen Männer- und Frauenfußball unterscheiden; allein der Verein und seine Farben stehen im Blickpunkt.
Männer und Frauen teilen sich zum Beispiel bei Manchester City Trainingsplätze, Ärzte, Physiotherapeuten, Betreuer. Hier kann man tatsächlich von einer gelebten Gleichberechtigung sprechen.
In Deutschland zeigt zumindest der VfL Wolfsburg Männer und Frauen gemeinsam im Fankatalog. Bei anderen großen Bundesliga-Klubs, vor allem im Rheinland, käme man erst gar nicht auf die Idee, das zu tun.